Paragraph 115 VVG - Der Direktanspruch bei Kfz-Versicherungen

von AF

Kommt es zu einem Schadensfall im Verkehr, ist die Abwicklung in den meisten Fällen einheitlich. Schädiger und geschädigte Person tauschen ihre Kontaktdaten sowie die Versicherungsgesellschaften aus und wickeln so den Schaden finanziell ab. In manchen Sonderfällen kann der Geschädigte seine Ansprüche jedoch nicht an den Schädiger richten, da dieser z. B. nicht mehr auffindbar ist oder sich in einer Insolvenz befindet. In diesen Sondersituationen erlischt das Recht des Geschädigten auf einen Schadenersatz nicht, der diesen als Direktanspruch gegen Kfz-Versicherungen stellen kann. Die rechtliche Grundlage stellt der § 115 VVG dar, der diesen Direktanspruch ermöglicht und einen Schadenersatz nicht vom Schädiger selbst abhängig macht.

Die Pflichtversicherung im Haftpflichtbereich der Kfz-Versicherungen

Unabhängig vom § 115 VVG und dem Direktanspruch gegenüber dem Versicherer ist für Schadensverhältnisse im öffentlichen Straßenverkehr der § 1 PflVG entscheidend. Diese Gesetzesgrundlage verpflichtet jeden Inhaber eines motorisierten Fahrzeugs, bei Führen des Automobils im öffentlichen Raum eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Die Höhe der Deckungssummen, die für Personen-, Sach- und Vermögensschäden zu erbringen sind, wird ebenfalls durch die Rechtsgrundlage geklärt, wobei die meisten Tarife der Kfz-Versicherungen noch über diese Mindeststandards hinausgehen. Der verpflichtende Abschluss ist erst seit wenigen Jahrzehnten begeben und wird durch wachsende Schadenssummen begründet, die bei Verkehrsunfällen mit immer leistungsstärkeren Fahrzeugen eingetreten sind.

Durch den verpflichtenden Abschluss einer solchen Kfz-Versicherung hat jeder Geschädigte im Straßenverkehr die Sicherheit, für einen entstandenen Schäden einen angemessenen Schadenersatz zu erhalten. Gäbe es keine Versicherungspflicht, müsste der Schadensgegner den Schaden aus dem privaten Vermögen bezahlen, was bei höheren Schadenssummen schlicht unmöglich wäre. Durch den § 115 VVG und den hiermit verbundenen Direktanspruch wird diese Verpflichtung auch in Sondersituationen aufrecht erhalten, die nicht vom Geschädigten beeinflusst werden können. Sein Recht auf Schadenersatz bleibt in jedem Fall erhalten, sofern ein Haftpflichtschaden nach objektiven Maßstäben vorliegt und die geschädigte Person hierfür einen Schadenersatzanspruch gegen die gegnerische Partei stellen kann.

Schädiger und Kfz-Versicherungen haften gemeinschaftlich

Jeder Schadenersatz, der im Bereich der Autoversicherung eingefordert wird, richtet sich weder alleine gegen den gegnerischen Fahrzeughalter noch dessen Kfz-Versicherung alleine. Stattdessen treten beide nach § 116 VVG als Gesamtschuldner auf, die beide in gleichem Maße für einen Schadenersatz zur Rechenschaft zu ziehen sind. Ist dies aus besonderen Gründen nicht gegenüber dem Schädiger selbst möglich, geht der Direktanspruch gemäß § 115 VVG direkt auf die Versicherung über, die gleichermaßen die Rolle des Schuldners einnimmt. Sollte der Schadensfall eindeutig geklärt sein, ist die finanzielle Regulierung laut Gesetzgeber binnen drei Monaten durchzuführen, ansonsten findet eine Verzinsung des Schadenswertes zu Gunsten des Geschädigten statt.

Welche Gründe ein Direktanspruch gegenüber Kfz-Versicherungen haben kann

Die Anwendung des § 115 VVG ist in der Praxis glücklicherweise selten, in einem Großteil der Schadensfälle wird eine Abwicklung zwischen dem menschlichen Schädiger und dem Geschädigten möglich. Sollte es nach einer Prüfung des Schadens deutlich werden, dass dieser gemäß des Pflichtversicherungsgesetzes über die Haftpflicht der Kfz-Versicherung abzuwickeln ist, kann der Geschädigte in jedem Falls einen Anspruch gegen die gegnerische Partei stellen. Dies dürfte die Kfz-Versicherung selbst sein, wenn über das Vermögen des Schädigers ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und dieser keine Zahlungsfähigkeit mehr aufweist. Auch Beitragsrückstände oder andere Komplikationen zwischen dem Schädiger und seiner Autoversicherung dürfen nicht auf dem Rücken eines geschädigten Dritten abgewickelt werden. Der § 115 VVG geht zudem auf Fälle ein, in denen der Versicherungsnehmer nicht mehr auffindbar ist, da er z. B. nach dem entstandenen Verkehrsunfall die Flucht ergriffen hat.

Einen Direktanspruch gemäß § 115 VVG durchsetzen

Auch wenn sich ein Geschädigter in der Theorie auf die Zahlung eines Schadenersatzes verlassen kann, ist die Durchsetzung gemäß § 115 VVG in der Praxis deutlich schwieriger. Schließlich muss aus der Vielfalt der deutschen Kfz-Versicherungen der richtige Ansprechpartner ermittelt werden, bei dem der Schädiger versichert ist und gegen den ein Direktanspruch gerichtet werden kann. Im Falle einer Fahrerflucht, bei denen das schädigende Fahrzeug mitsamt Fahrer spurlos verschwunden ist, wird das Durchsetzen des § 115 VVG schwierig. Grundlegende Daten zum schädigenden Fahrzeug oder dem Versicherungsschutz des Unfallgegners sind deshalb unverzichtbar, um den Direktanspruch durchzusetzen.

In der Praxis wird der Schadenersatzanspruch juristisch erst einmal gegen den Schädiger selbst gerichtet. Sollte dieser nicht auffindbar sein oder deutlich werden, dass dieser der Pflicht zum Schadenersatz nicht nachkommen kann, sollte sich der Geschädigte direkt an die Kfz-Versicherung des Gegners richten. Die Aufgabe der Kfz-Versicherungen ist es dann zunächst, den Sachverhalt zu prüfen und eine eventuelle Haftpflicht mit berechtigten Ansprüchen zu erkennen. Sind diese tatsächlich berechtigt, ist der Schadenersatz zu leisten, Folgeschritte innerhalb des Unternehmens sowie dem Versicherungsnehmer gegenüber sind als interner Sachverhalt zu werten und betreffen den Geschädigten nicht mehr direkt.

Regressansprüche gegenüber dem Versicherten nach einem Direktanspruch

Natürlich werden sämtliche Kfz-Versicherungen bemüht sein, nach Gewähr des Schadenersatzes die Umstände genau zu überprüfen, die zum Direktanspruch geführt haben. Egal, ob der Versicherungsnehmer flüchtig oder insolvent ist bzw. Beitragsrückstände aufzuweisen hat, kein Autoversicherer wird solche Umstände einfach auf sich sitzen lassen. Stattdessen ist es üblich, dass die Versicherung Regress gegenüber dem Versicherungsnehmer einfordert und dieses für den Schadenersatz finanziell in die Pflicht nimmt.

Ein klassisches Beispiel ist ein Schaden an Fahrzeugen, bei denen ein unberechtigter Fahrer am Steuer gesessen hat. Beispielsweise hat sich ein minderjähriges Kind des Versicherungsnehmers ans Steuer gesetzt und einen Schaden herbeigeführt, auch die Einschränkung des Personenkreises zur Vergünstigung der Jahresprämie können einen solchen Umstand auslösen. Der Geschädigte erhält in jedem Fall gemäß § 115 VVG einen Schadenersatz, auch wenn der Schädiger der 15-jährige Sohn des Versicherungsnehmer war. Nachdem Kfz-Versicherungen den Schadenersatz ausgezahlt haben, werden sie diesen Aufwand ganz oder teilweise vom Versicherungsnehmer zurückfordern. Sollte es sich um ein Delikt mit einem eingeschränkten Personenkreis als Fahrer gehandelt haben, wird anstelle von Regress eine Neuberechnung der Beiträge vorgenommen und eine Vertragsstrafe in Höhe von mehreren Jahresbeiträgen ausgesprochen. Welche Umgangsweise gewählt wird, hängt von den jeweiligen Kfz-Versicherungen ab und ist nicht einheitlich.

Das Vorliegen eines Versicherungsfalls gemäß § 115 VVG überprüfen

Neben allen obigen Überlegungen sollte ein Punkt nicht übersehen werden: Der Direktanspruch gemäß § 115 VVG bringt nur dann einen sicheren Schadenersatz, wenn tatsächlich die Haftpflicht nach dem Pflichtversicherungsgesetz vorlag. Genau dies kann bei vielen Unfällen nicht eindeutig geklärt werden, da möglicherweise mehrere Verkehrsteilnehmer eine Teilschuld tragen. Sollte sich ein Versicherungsnehmer dagegen wehren, die Schuld für den Schaden zu übernehmen, wird eine Autoversicherung nicht ohne ausgiebige Prüfung einen Direktanspruch akzeptieren. Bei einem unklaren Schadenshergang ist es für alle Kfz-Versicherungen unverzichtbar, sich genauer mit dem Sachverhalt zu befassen und zur Not durch Gutachter abklären zu lassen, ob tatsächlich ein Schadenersatz berechtigt ist. Nur wenn dies festgestellt wurde, kann sich der Geschädigte über eine finanzielle Entschädigung durch den Gesamtschuldner verlassen.

Im Rahmen einer gutachterlichen oder gerichtlichen Prüfung können sich weitere Aspekte zeigen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Schadensregulierung nehmen. Beispielsweise kann sich ein fahrlässiges bzw. grob fahrlässiges Verhalten herausstellen, welches die Versicherung von ihrer Haftpflicht entbindet. Die Ansprüche auf Schadenersatz bleiben für den Geschädigten zwar bestehen, können jedoch nicht mehr gegen die Kfz-Versicherung gerichtet werden. Stattdessen muss zivilrechtlich geklärt werden, ob die Ansprüche gegen den Schadensgegner selbst weiterhin berechtigt sind und dieser auf privater Basis einen Schadenersatz leisten muss. Hier heißt es, im Einzelfall die Schadenssituation genau unter die Lupe zu nehmen.

Finanzielle Ansprüche ohne direkten Schadensgegner

Ein Extremfall, der nicht mehr unter den Direktanspruch nach § 115 VVG fällt und dennoch gelegentlich eintritt, ist das komplette Fehlen eines Schadensgegners. Dies ist nahezu ausschließlich beim Tatbestand der Fahrerflucht gegeben, bei der sich der Schädiger illegalerweise vom Unfallort entfernt hat und auch nach polizeilicher Ermittlungsarbeit nicht mehr aufzufinden ist. Der Geschädigte besitzt in diesem Fall weder eine Person noch eine Kfz-Versicherung, gegen die er seine Ansprüche richten könnte. Theoretisch müsste er nun den Schaden auf eigene Kosten begleichen, was eine erhebliche finanzielle Benachteiligung darstellt.

Genau dies müssen deutsche Versicherungsnehmer nicht fürchten, die in diesem Extremfall Ansprüche bei fast allen Kfz-Versicherungen an den eigenen Versicherer richten können. Sämtliche Autoversicherungen in Deutschland zahlen als Mitglied über den Gesamtverband der deutschen Kfz-Versicherungen in eine Art Ausfallfonds ein, der für solche Extremfälle aufkommt. Da keine Versicherung mehr oder weniger häufig von dieser Regelung betroffen ist und deshalb nicht benachteiligt werden kann, willigen sämtliche Kfz-Versicherungen gerne in diese Regelung ein und übernehmen die Schäden ihrer Kunden. Bevor dies tatsächlich der Fall ist, setzt die eigene Autoversicherung allerdings eine intensive Prüfung des Schadenfalls voraus, um den tatsächlichen Schädiger und seine Autoversicherung doch noch zu ermitteln.

Konsequenzen des § 115 VVG bei der Wahl der Kfz-Versicherung

Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Direktanspruch gemäß § 115 VVG und der individuell besten Wahl der Kfz-Versicherungen. Jeder Autofahrer muss eine Haftpflichtversicherung abschließen, sämtliche Tarife bieten dabei wenigstens die gesetzlich vorgeschriebene Mindestdeckung. Um sich als Versicherungsnehmer vor Regressansprüchen oder Streitigkeiten mit der eigenen Autoversicherung zu schützen, lohnt dennoch ein genauer Blick in den Vertragstext der jeweiligen Tarife. Beispielsweise kann eine Versicherung die Schadensherbeiführung unter grober Fahrlässigkeit ausschließlich bzw. in starken Tarifen ohne Aufpreis mit absichern. Neben einem möglichst geringen Jahresbeitrag sollte der einzelne Versicherungsnehmer daher prüfen, welche Kfz-Versicherungen im Bereich Service und kundenfreundlicher Klauseln mehr zu bieten haben und hier einen Abschluss der Autoversicherung nahelegen.